EINE oft gestellte Frage lautet: " Wenn es einen Gott gibt, warum läßt er Leiden zu?oder: Wenn er Leiden duldet, warum dann so lange?" Solche Fragen sind schwer zu beantworten, besonders wenn sie mit dem Holocaust in Verbindung gebracht werden, der wahrscheinlich wie kein anderes Geschehen zum erschütternden Symbol für menschliches Leid geworden ist. Auf ihrer Suche nach einer Erklärung sind einige zu dem Schluß gekommen, daß es keinen Gott gibt, andere dagegen bestreiten, daß das Böse existiert. Sind solche Folgerungen realistisch? Gibt es eine befriedigende Antwort? 

Manche sind der Meinung, solche Fragen sollten überhaupt nicht gestellt werden. Treue Propheten wie Habakuk hielten es jedoch nicht für unangebracht, dies zu tun. Habakuk stellte Gott die Frage: Wie lang, o Ewiger, habe ich geflehet, und du hörst nicht, ich schreie zu dir über Gewalt und du hilfst nicht! Warum lässest du mich Unheil schauen, und siehest Elend an" (Habakuk 1:2, 3, Zu).

Leider gibt es Leute, die außerstande sind, eine Antwort zu akzeptieren, ganz gleich, ob sie richtig oder falsch ist. Schreckliche Ereignisse und die Brutalität des Menschen hindern sie daran, die Frage unvoreingenommen zu prüfen. Wer also eine Antwort finden möchte, muß seine eigene Einstellung ehrlich überprüfen und überlegen, ob die gegebene Erklärung vernünftig ist.

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Dem Schuldigen die Schuld zuschreiben

Gott hat nie -- weder in der Vergangenheit noch heute -- etwas mit den Verbrechen des Menschen zu tun gehabt. Gewisse religiöse Lehren legen jedoch diesen Gedanken nahe, was die Sache noch schwieriger macht. Zum Beispiel erwecken Behauptungen, wie die Welt sei eine Stätte, an der Menschen auf ihre Eignung für ein künftiges Leben getestet würden, oder Gott nehme" durch den Tod geliebte Angehörige -- ja selbst kleine Kinder -- zu sich", den Eindruck, er sei verantwortlich für Unglücksfälle, Verbrechen und Katastrophen. Dasselbe kann auch von der Prädestinationslehre und dem Schicksalsglauben gesagt werden. Dann gibt es auch Personen, die den Holocaust als eine göttliche Strafe für die Weltlichkeit der europäischen Juden" zu erklären suchen oder als Gottes Mittel, das der Welt die Notwendigkeit eines jüdischen Staates vor Augen führen sollte". Viele mögen solche Vernunftschlüsse nicht nur als unannehmbar, sondern sogar als anstößig empfinden.

Sind solche Glaubensansichten nicht gotteslästerlich? Sind nicht Menschen schuld an all den Ungerechtigkeiten, die im Lauf der Jahrhunderte verübt worden sind -- nicht Gott? (Prediger 8:9). Es ist so, wie der Historiker Arnold Toynbee erklärte: Nur menschliche Wesen können böse sein, denn sie sind die einzigen, die sich ihrer Taten bewußt sind und in der Freiheit der Wahl leben." Demnach hat der Mensch durch den Mißbrauch seines freien Willens all das unbeschreibliche Leid verursacht. Warum hat Gott ihn denn nicht so erschaffen, daß er seinem Mitmenschen keinen Schaden zufügen kann?

Der Mensch ist in Gottes Bild" und mit einem freien Willen erschaffen worden (1. Mose 1:26). Wäre dem nicht so, dann könnte man weder die Befriedigung noch die Freude empfinden, die man verspürt, wenn man anderen spontan etwas Gutes tun kann. Das Gewissen wäre bedeutungslos, und der Mensch stünde auf derselben Daseinsstufe wie niedrigere Lebensformen. Der freie Wille ist ein Segen für den Menschen und unterscheidet ihn von einem Roboter. Die Willensfreiheit schließt aber auch die Entscheidungsfreiheit ein, das heißt die Freiheit, eine falsche oder nachteilige Entscheidung zu treffen. Die Anerkennung der Tatsache, daß Gott für das Böse nicht verantwortlich ist, beantwortet folgende Fragen jedoch nicht: Warum läßt er das Böse zu, und warum hat er dem Leid nicht sogleich ein Ende gemacht?

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Wie konnte Gott es nur zulassen?

Warum gibt es das Böse denn überhaupt, wenn doch eine Macht da ist, die ihm Einhalt gebieten könnte? Die Antwort der Bibel auf diese Frage ist vor allem in dem Bericht über Adam und Eva, das erste Menschenpaar, zu finden. Im 2. und 3. Kapitel des ersten Buches Mose wird berichtet, daß die beiden es sich erwählten, Gott gegenüber ungehorsam zu sein und von dem Baume der Erkenntnis des Guten und Bösen" zu essen. Aufgrund ihres Ungehorsams erhoben sich wichtige Streitfragen. Derjenige, der die beiden veranlaßte zu rebellieren (siehe Kasten, Seite 13), sagte zu ihnen: Ihr werdet nicht des Todes sterben." Dadurch stellte er Gottes Wahrhaftigkeit in Frage, denn Gott hatte deutlich erklärt, daß Ungehorsam mit dem Tod bestraft werde (1. Mose 2:17; 3:4, Zu). Der Versucher fuhr fort mit den Worten: Gott weiß, daß am Tag, da ihr davon eßt, euch die Augen aufgehn, und ihr werdet wie Gottwesen, wissend um Gut und Böse" (1. Mose 3:5). Damit wollte er wohl sagen, daß Gott ihnen ungerechterweise etwas vorenthalte. So zog er die Gültigkeit der Gesetze Gottes und Gottes Regierungsweise in Zweifel. Das stellte einen Angriff auf Gottes Souveränität dar, auf sein Recht, der alleinige und absolute Herrscher der Menschheit zu sein.

Inhaltsschwere Streitfragen waren aufgeworfen worden: Benötigt der Mensch wirklich Gottes Führung, um sich selbst und die Erde mit Erfolg zu regieren? Wenn nicht, dann hätte Gott vielleicht gar nicht das Recht gehabt, von ihm Gehorsam zu verlangen. Wenn der Mensch imstande ist, sich selbst zu regieren, warum sollte dann Gott für ihn entscheiden, was recht und was unrecht ist? Die Vollstreckung der Todesstrafe an den Gesetzesübertretern hätte diese Fragen nicht geklärt. Erst nach Ablauf einer gewissen Zeit würde es sich herausstellen, daß der Mensch nicht fähig ist, sich selbst mit Erfolg zu regieren.

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Wer hat das Recht zu entscheiden?

Wahrscheinlich die wichtigste Frage -- eine Frage, die jeder für sich selbst beantworten muß -- lautet: Hat nicht Gott das Recht, zu entscheiden, welche Angelegenheiten von größter Wichtigkeit sind und wann sie bereinigt werden sollen? Der Gedanke, daß eine Streitfrage oder eine sittliche Frage so wichtig sein könnte, daß die Zulassung von menschlichem Leid gerechtfertigt wäre, ist für viele schwer zu akzeptieren. Ist es aber unlogisch anzuerkennen, daß Gottes Weitsicht es ihm ermöglicht, zum Wohl aller seiner Geschöpfe zu handeln?

Der Prophet Jesaja schrieb: Weil meine Gedanken nicht eure Gedanken sind -- sind auch eure Wege nicht meine Wege', lautet Gottes Ausspruch" (Jesaja 55:8, Hirsch). Gott steht menschlichem Leid bestimmt nicht gleichgültig gegenüber; doch da er allweise ist und in alle Ewigkeit lebt, weiß er nicht nur am besten, welche Faktoren mit den Streitfragen verbunden sind, sondern auch, wie und wann diese zum größten Nutzen aller Beteiligten geklärt werden sollten.

Dadurch, daß Gott für die Klärung der Streitfrage genügend Zeit einräumte, hat er einen für alle Zeiten gültigen Präzedenzfall geschaffen. Sollte künftig irgend jemand die Art und Weise, wie Gott seine Souveränität ausübt, erneut in Frage stellen, wäre es nicht mehr nötig, dem Rebellen weitere Zeit einzuräumen, damit er seine Behauptung beweisen könne (Nahum 1:9). Alles, was es zu beweisen gilt, ist dann bereits bewiesen worden. Mittlerweile haben wir das Vorrecht -- wie viele Treue der alten Zeit --, für Gott Stellung zu beziehen. Hiob zum Beispiel hatte keine Ahnung davon, was die Ursache seiner Leiden war, aber er war entschlossen, Gott gegenüber loyal zu bleiben (Hiob 2:9, 10). Verdient es Gott, der Schöpfer des Menschen, nicht, daß man ihm gegenüber loyal ist?

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Worin besteht Gottes Lösung?

Die von Gott eingeräumte Zeit zur Klärung der verschiedenen Streitfragen nähert sich dem Ende. Das Böse und alle, die es verursachen, werden bald beseitigt werden (Sprüche 2:21, 22; Daniel 2:44). Gott selbst wird dafür sorgen, daß die Menschen für immer in Frieden und Glück auf einer paradiesischen Erde leben können (Jesaja 14:7). Als Gott der Gerechtigkeit wird Jehova diejenigen, die ungerechterweise gelitten haben und gestorben sind, nicht vergessen. Sie werden auferweckt und zum Leben hier auf der Erde zurückgebracht werden (Hiob 14:14, 15; Jesaja 25:6-8). Gott hat verheißen: Nicht soll gedacht werden des Früheren, und nicht soll es in den Sinn kommen." Das ewige Leben wird den Menschen genügend Gelegenheit geben, im nachhinein die Gründe für Gottes Zulassung des Bösen richtig zu verstehen. Niemand, dem diese Segnungen zuteil werden, wird sich über das Leid, das ihm oder anderen in der Vergangenheit zugefügt wurde, ärgern. Die immerwährende Freude über das, was Gott schaffen wird, wird all das Leid bei weitem aufwiegen (Jesaja 65:17, 18, Zu).

Durch die Bibel sagt uns Gott deutlich, warum er soviel Leid zugelassen hat. Doch in einem kurzen Artikel können die mit einer solch schwerwiegenden Streitfrage verbundenen Probleme unmöglich alle behandelt werden. Die vollständige Antwort ist nur durch eine eingehende Prüfung aller damit verknüpften Einzelheiten, die in der Bibel enthalten sind, zu finden. Sollte man nicht bereit sein, die Herausforderung anzunehmen und die für eine solche Untersuchung nötige Zeit aufzuwenden? Die Streitfragen, um die es hierbei geht, sind so wichtig, daß sich eine solche Prüfung lohnt

http://www.dziapko.de/wicked.htm